Freitag, 27. Februar 2015

Bilder einer Ausstellung

von:
Gabi Mett

Bilder einer Ausstellung 

Haben Sie sich für dieses Jahr viel vorgenommen? Wollen Sie Ausstellungen in Museen besuchen? Steht Karlsruhe, Birmingham oder St. Marie aux Mines in Ihrem Terminkalender? Sind die Ausstellungen in Heidelberg ( die Quilt-Art-Gruppe aus England und im Herbst die nächste Triennale der Quiltkunst) und in Augsburg ( 22 Künstlerinnen - 22 Positionen) bereits eingetragen? Vielleicht ist ja noch ein Abstecher nach Holland geplant zum Textilfest in Leiden oder nach Berlin zur Textilen Art Berlin? Oder ein Besuch der Kunstmesse in Basel? Es gibt auch in diesem Jahr wieder unglaublich viel zu sehen und zu entdecken. 

Biennale der deutschen Textilkunst 5,1987, Künstlerin nicht bekannt, Foto: Gabi Mett
Wie aber gehen Sie eine solche Großveranstaltung an ? Freuen Sie sich darauf, weit über 1000 Quilts oder interesssante Künstler aus anderen Bereichen wie Malerei und Skulptur zu entdecken ? Oder haben Sie die Befürchtung, in der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, nicht alles zu sehen? Wo fange ich an, was lasse ich weg und wie kann ich mir einen Überblick verschaffen? Ich habe da mittlerweile mein eigenes System entwickelt. Durch jahrelange Messebesuche geschult, gehe ich im ersten Durchgang jede Reihe durch und halte Ausschau nach interessanten Objekten. 


Biennale der deutschen Textilkunst 5, 1987, Künstlerin nicht bekannt, Foto: Gabi Mett
 

Die Entdeckungen ereignen sich rein intuitiv und sie werden oft ausgelöst durch angewandte Techniken, interessante Materialien oder den Einsatz von Farben. Auch die Entdeckung interessanter Inhalte kann zu einem kleinen Zwischenstop führen. Werke bekannter Künstlerinnen fallen sofort ins Auge. Hier interessiert es mich, ob eine Entwicklung zu erkennen ist und natürlich schaue ich mir auch immer wieder bereits Bekanntes an. 

Biennale der deutschen Textilkunst 5, 1987, Ausschnitt aus einem Werk von Helmut Hahn, Foto:Gabi Mett
Wenn dieser erste Durchgang geschafft ist und ich Favoriten entdeckt habe, geht es an die eingehendere Betrachtung. Ich kehre zu den Bildern oder Quilts zurück und lasse sie auf mich wirken, frage mich, was mich an dieser Arbeit besonders bewegt und nähere mich so, mich auf die eigenen Sinne verlassend, dem Werk an. Ich versuche in einen Dialog zu kommen, mich nicht beeinflussen zu lassen von Namen, Preisen, Auszeichnungen, sondern wirklich nur das Bild im Auge zu behalten. 


Biennale der deutschen Textilkunst 5, 1987, Künstlerin nicht bekannt, Foto: Gabi Mett
Vielleicht kann ich noch durch ein Gespräch mit der Künstlerin Antworten auf die ein oder andere Frage bekommen.



Ich habe es mir abgewöhnt, zu viele Fotos zu machen, es sei denn für unseren Blog. Für mich ist es wichtig, was in meinem Kopf hängen bleibt, gepaart mit dem Bauchgefühl. Und ich finde es gut, wenn sich manche Bilder und Eindrücke auch wieder verlieren und Herz und Verstand die eigene Auswahl treffen.

Biennale der deutschen Textilkunst 5, 1987, Künstlerin nicht bekannt, Foto: Gabi Mett

So kann es natürlich auch passieren, dass nach langer Zeit die Fotos nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind. Ich hoffe, Sie sehen mir die Lücken nach. 
Hinzufügen möchte ich jedoch, dass die Arbeit vom Wordless Wednesday ein Detail einer Arbeit von Hiltrud Schäfer zeigt.
 
   Biennale der deutschen Textilkunst 5, 1987, Künstlerin nicht bekannt, Foto: Gabi Mett  


Im Januar diesen Jahres habe ich mir im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund (www.museumdortmund.de/mkk) die Ausstellung Textil.Bild.Kunst - Das textile Wandbild nach 1945 angesehen. 

Diese Ausstellung versucht, die textile Kunst in den Kontext der allgemeine Kunstentwicklung einzubinden und Tendenzen der textilen Bildkunst nach 1945 aufzuzeigen. Aus vorhandenen Beständen des Museums wurde diese Präsentation zusammengestellt, ergänzt durch Leihgaben aus weiteren Museen und Archiven in Deutschland. Sie zeigt Arbeiten von 15 Künstlern und Künstlerinnen, die das Textile für ihre Bildgestaltung zum Hauptthema gemacht haben. Die Abbildungen und Zitate sind dem Katalog entnommen, der zu dieser Ausstellung veröffentlicht wurde. In der Ausstellung selbst durfte nicht fotogtafiert werden. 
Die 50iger bis 70iger Jahre sind für mich in vieler Hinsicht Neuland, was die textile Kunst angeht. So habe ich mit dieser Ausstellung und mit dem Katalog eine Reise in die Jahre meiner Kindheit und Jugend angetreten und in vieler Hinsicht habe ich interessante Dinge entdeckt.

Da sind zum einen die drei wichtigen Voraussetzungen, die die textile Bildkunst im 20. Jahrhundert auf den Weg brachten:

  • für Deutschland die Scherrebecker Webschule, aus der weitere Webschulen hervorgingen. Sie spielte seit Beginn des 20. Jahhunderts eine wichtige Rolle, unter anderem im Jugendstil.
  •  die Gründung des Bauhauses  Hier wurde eine Webwerkstatt eingerichtet, die von Paul Klee, Johannes Itten und Georg Muche entscheidende Anregungen erhielt. Namen wie Gunta Stölz oder Anni Albers verbinden sich mit dieser Institution.
  • die in den 30iger Jahren neu belebte Tapisseriekunst in Frankreich, die eng mit dem Namen Jean Lucart und der Stadt Aubusson verbunden ist. 1959 wurde auf der zweiten Dokumenta in Kassel ein Bildteppich von diesem Künstler im Treppenhaus des Fridericanums gezeigt.

Weitere Aspekte sind ebenfalls interessant und erwähnenswert.


  • Die Veränderung der Ausbildung in Deutschland nach 1945
Es wurden in den sogenannten Kunstgewerbeschulen, in denen das Unikat und nicht die industrielle Fertigung im Mittelpunkt der Ausbildung stand, über den zweiten Weltkrieg hinaus Textilklassen geführt, die nach dem Krieg in den sogenannten Werkkunstschulen weitergeführt wurden. Sie wurden von Frauen geleitet, deren Ausbildung noch stark vom Bauhaus geprägt waren. „ …die meisten Künstlerinnen und Künstler, die sich nach 1945 mit textiler Bildkunst befassten, zeichneten sich durch eine breit gefächerte künstlerische Ausbildung aus. Das Studium am Bauhaus und an den Werkkunstschulen befähigte generell zu einer vielseitigen künstlerischen Betätigung, in der textile Arbeiten einen gleichwertigen Anteil an der Kunstproduktion hatten.“(S. 18-20)

Im Jahr 1971 wurden diese Fachklassen in die Fachhochschulen, die Kunstakademien und Universitäten eingegliedert. Die Ausrichtung erfolgte in Richtung Design, Kunst oder Wissenschaft, der ganzheitliche Bildungsansatz wurde aufgehoben. 


  •  Die Veränderung der textilen Bildkunst in den 70iger Jahren 

„Paralell zur Veränderung der textilkünstlerischen Ausbildung verlor die textile Bildkunst durch ihre seit den 70iger Jahren verstärkten plastischen und räumlichen Tendenzen an Bedeutung.“ (S.20)  Kann das wirklich ein Grund sein, warum die Textilkunst ihren Platz an der Seite der anderen Künste verloren hat, der Weg in den Raum, die Hinwendung zur Skulptur ? Ich lasse diesen Satz einfach einmal im Raum stehen.

Unter anderem führte das nachlassende Interesse an dieser Kunstform dazu, dass die Biennalen von Lausanne oder die der Textilkunst in Deutschland (Dazu die oben ausgewählten Bilder) nicht mehr ausgeschrieben wurden. Gleichzeitig wurden Lehrstühle nicht mehr besetzt oder ganz aufgelöst. Selbst die Studiengänge für den Bereich der Textilgestaltung im Unterricht finden sich nur noch an wenigen Hochschulen.Die Ausbildung zum Weber fällt in Deutschland unter den allgemeinen Begriff Textilgestalter im Handwerk, es ist kein selbständiger Beruf mehr. Das nur am Rande.


„Das Wegbrechen textiler künstlerischer Traditionen gegen Ende des 20. Jahrhunderts hat erstaunlicherwiese heute nicht zum Verschwinden der Wertschätzung textiler Bildkunst geführt." (S.20) Das sehe ich aus eigener Erfahrung anders.


"Vielleicht bedurfte es auch erst eines größeren Abstandes, um sich dem Thema wieder anzunähern. Die Textilkunst des 20. Jahrhunderts hat sich in der Zwischenzeit nicht nur zu einem neuen Gebiet für Sammler entwickelt, sondern sie ist in jüngster Zeit in großen Ausstellungen auch umfassend wiederentdeckt worden., Das Textile hat sich als neue Inspirationsquelle für aktuelle Kunst erwiesen und diese beflügelt." (S.20)Eine gewagte These, finden Sie nicht auch?


"Und auch das gewebte textile Wandbild erlebt eine gewisse Renaissance, wenn auch unter anderen Voraussetzungen. Dies zeigen die jüngsten, ganz unterschiedlichen Arbeiten Gerhard Richters (geb.1932), der amerikanischen Künstlerin Pae White (geb. 1963) und des britischen Künstlers Grayson Perry (ge.1960), die in ihre Entwürfe nach digitalen Vorlagen an Jacquard-Webstühlen in großformatige textile Bilder umsetzen lassen.“ (S.20) Das ist für mich kein überzeugendes Argument, denn es wird den eigenständigen textilen Ausdrucksmöglichkeiten nicht gerecht.


Was ich allerdings an dieser Stelle einfügen möchte, ist die Blindheit auf einem Auge, die Textilkunstinteressierte oder TextilkünstlerInnen oft nicht sehen läßt, dass eine solche Kunst auf den Kunstmessen zu finden ist. Die Künstler kommen aber in den seltensten Fällen aus dem traditionellen“Handarbeitsbereich“, sondern sind Studienabgänger von Kunsthochschulen, die das Textile mit völlig anderen Augen sehen und die Möglichkeiten für ihre Inhalte nutzen. Sie sind ausgebildet, in Projekten zu denken, diese theoretisch in einem Konzept zu durchdenken und zu formulieren und mit den entsprechenden Mitteln umzusetzen. Da alle Künstler, die ich im Folgenden mit einer Arbeit vorstellen möchte, eine akademische Ausbildung haben, stellt sich für mich die Frage, ob der Weg nicht über die Einrichtung neuer Lehrstühle gehen muss, die die Textilkunst, nicht aber das Textildesign in den Mittelpunkt der Lehre stellen. Leider machen sich auch nur wenige TextilkünstlerInnen auf den Weg und versuchen in den Bereichen Zeichnung, Bild, Skulptur, Installation, Performance und anderen Kunstbereichen, sich an Wettbewerben zu beteiligen oder sich um Stipendien in diesem Bereich zu bemühen.


Nun aber zu einer kleinen Auswahl an Werken : 


  Woly Werner, Aus sich selbst, 130 x 66 cm, 1956, gewirkt  



Inge und Fritz Vahle, Ohne Titel, 183 x 94 cm, 1959, Applikationsarbeit
Jean Lurcat, Soleil de Paris, 236 x 245 cm, 1962
Elisabeth Kadow, Komposition XV, 240 x 80 cm, 1962
Liselotte Engelhardt, Perlensarbeiten, 1962, 1964

Hedwig Klöckner-Triebe, Bewegung zum Kreis, 28 x 53 cm, 1967/68
Karl Wollermann, Fischvase mit Granatäpfeln, 34 x 34 cm, 1969
 
Hedwig Klöckner-Triebe, Verstreute Wege, 33 x 49,5 cm, 1978


Dieser Ausschnitt soll Ihnen einen kleinen Eindruck von der Vielfalt und Ausdrucksstärke dieser Werke vermitteln.. Es waren ausserdem noch Entwurfszeichnungen und Skizzen zu sehen. Beeindruckend die großen Bildteppiche aus dem Opernhaus in Dortmund, die in den sechziger Jahren von verschiedenen Künstlern entworfen und von der Nürnberger Gobelinmanufaktur umgesetzt worden sind.

Sollten Sie zu ausgestellten Künstlern recherchieren wollen, hier die Namen:

Hubert Berke (1908 - 1979)
Liselotte Engelhardt (1918 - 2002)
Harry Fränkel (1911 - 1970)
Irma Goecke (1895 - 1976)
Irene Goethert-Merz (1924)
Lotte Hofmann (1907 - 1981)
Elisabeth Kadow (1906 - 1979)
Gerhard Kadow (1909 - 1981)
Hedwig Klöckner Triebe, (1908 - 1998)
Jean Lurcat (1892 - 1966)
Alen Müller-Hellwig (1901 - 1993)
Ernst Wilhelm Nay (1902 - 1968)
Fritz Vahle  (1913 - 1991)
Inge Vahle  (1915 - 1989)
Woty Werner (1903 - 1971)  
Fritz Winter (1905 - 1976)
Karl Wollermann (1904 - 1993)


Viel Spass dabei!

3 Kommentare:

  1. Welch eine interessante Reise in die Vergangenheit und Gegenwart. Ich bin leider in Kunstgeschichte nicht bewandert, sehe aber vieles inzwischen mit anderen Augen. Eben auch durch solche Informationen wie hier im Blog und Interesse an Textilem und Kunst im allgemeinen ändern sich die Perspektiven. Ich sehe es auch so, dass die Textilkunst eigentlich nur im kleinen Kreis Interessiertet stattfindet, leider. Hoffnung haben mir die Textilausstellungen in Wolfsburg und Bielefeld im letzen Jahr gemacht, wobei mir dort die Quiltkünstler gefehlt haben. Also hoffe ich weiterhin, dass die Textilkunst den Platz bekommt, der ihr gebührt. Vielleicht bedarf es noch ein wenig Geduld und für euch weiterhin viel Arbeit, um es voranzutreiben. Danke für den Einblick. Liebe Grüße Anette

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  2. Liebe Anette,

    du hast recht, die Ausstellungen im vergangenen Jahr haben Hoffnung gemacht und die Ausstellung in Dortmund ebenfalls. das in diesen Ausstellungen keine Quiltkunst zu sehen war, lag einfach daran, dass es zu den Zeiten, die dargestellt worden sind, noch keine Quiltkunst gab. Vielleicht wird es bei einem Rückblick in vierzig Jahren die Quiltkunst auch dabei sein.

    herzliche Grüße Gabi

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  3. Liebe Gabi, es geht also voran, das ist schön zu hören. Also arbeitet weiter an der Textilkunst!!!! Wenn es die Quiltkunst noch nicht gab in der Zeit, die die Ausstellungen zeigten, so fehlte für mich doch das Patchwork, egal ob klassisch oder modern. Und in Wolfsburg hieß es doch im Untertitel: "...von Klimt bis heute", also ein toller Art-Quilt (oder aktuelle Textilkunst in dieser Art) hätte mir da schon gut gefallen. Aber schön, dass es solche Ausstellungen überhaupt gibt. Herzliche Grüße Anette

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